Fluch der Karibik wurde eine Reihe, obwohl Johnny Depp angeblich nie Mehrteiler drehen wollte. Von Fifty Shades of Grey gibt es drei Bände, von Harry Potter sieben und ein Krimiautor, der etwas auf sich hält, schickt seinen Ermittler mehrfach ins Rennen. Worin liegt der Charme einer Reihe? Wenn du nicht aufhören kannst, schreibst du eine Reihe? Wenn dir keine neuen Figuren einfallen, schreibst du eine Reihe? Oder schreibst du eine Reihe, weil ein großer Plan dahinter steht? Schreibe doch Reihen, weil es einen Unterschied zwischen Zufallsprinzip und Erfolgsrezept gibt!

Warum kommen Reihen so gut an?

Immer mehr Filmemacher und Autoren tendieren zu Prequels, Sequels oder ganzen Reihen. Als Leser kann ich einer Reihe so manches abgewinnen. Der wichtigste Grund, warum ich Reihen mag, ist, dass mir die Trennung von liebgewordenen Figuren erspart bleibt. Und so greife ich jedes Jahr verlässlich zum neuen Inspektor-Lynley-Roman oder habe in meiner Teenager-Zeit ausschließlich Karl May gelesen.

Als Autor solltest du aber ein bisschen weiter denken

Für dich als Autor gibt es zwei Hauptgründe eine Reihe zu schreiben. Der erste ist simpel: Deine Leser lieben deine Figuren, sie wollen mehr von ihnen, und das sollen sie auch bekommen. Eine gelungene Reihe ist eine Win-Win-Situation. Du stillst die Sehnsucht deines Lesers und hast marketingtechnisch ein viel leichteres Spiel.

Mit dem zweiten Grund bist du in genau derselben Position wie deine Leser: Du willst dich von deinen Figuren nicht trennen. Und so entstehen manche Reihen einfach aus Zufall. So wie eine Ehe fortgesetzt wird, weil man sich immer noch liebt. Oder weil halt der andere da ist. Wozu einen neuen Partner suchen, wenn man eh einen hat?

Weil es eben so ist, ist eine miserable Begründung

Spannende Handlungen entstehen aber nicht aus Gewohnheit, sondern aus Ursache und Wirkung. Du fieberst in einem Pageturner mit, weil ein Ereignis eintritt und du unbedingt wissen willst, was daraus folgt. Wie die Figuren damit umgehen, ob sie ans Ziel ihrer Wünsche gelangen oder heroisch, vielleicht auch kläglich, scheitern.

Im Roman hast du das Prinzip erkannt, aber in der Reihe wirfst du es über den Haufen? Da reihst du einfach Episode an Episode und die Verbindung besteht lediglich in den Hauptfiguren? Das kannst du besser.

Das Geheimnis liegt im Spannungsbogen

Du erinnerst dich, wie ein Spannungsbogen aufgebaut ist? Deine Figur will etwas, und die antagonistischen Kräfte versuchen zu verhindern, dass sie es bekommt. Aus diesem Konflikt heraus entsteht die Spannung, dieser Konflikt ist der Motor für deinen Roman. Am Beginn stehen ein Wunsch oder ein Ziel, dann setzt die Krise ein, steigert sich bis zum Höhepunkt, am Höhepunkt schlägt die Situation um, und der Spannungsbogen endet mit einer Veränderung und mit einer neuen Situation.

Solche Spannungsbögen sind die Bausteine deines Romans. Jede Szene und jeder Dialog haben einen eigenen Spannungsbogen. Und wenn sie ihn nicht haben, kannst du sie getrost streichen.

Ein spannender Roman ist mehr als eine Aneinanderreihung von Skizzen

Es reicht aber nicht, dass du jede Szene mit einem Spannungsbogen versiehst. Wenn dein Roman keinen Hauptspannungsbogen hat, kannst du dir die Mühe sparen, ihn zu erzählen. Klar gibt es auch Episodenromane, wo einzelne Geschichten wie Perlen auf einer Kette aneinandergereiht sind. Aber fesselt dich so etwas? Mich nicht. Allenfalls als Büchlein, das ich auf einer Straßenbahnfahrt dabei habe, wo ich gerade mal zehn Seiten bis zur Endstation schaffe. Häppchenweise lesen ist nichts für mich, ich will in einer Geschichte versinken und erst nach ein paar Tagen wieder daraus auftauchen.

Ich habe dir gezeigt, wie du mit Cliffhangern deine Leser in das nächste Kapitel hineinziehst. Wie du deinen Leser daran hinderst, das Buch zuzuklappen, indem du kurz vor Kapitelende einen neuen Spannungsbogen aufmachst. In einem späteren Beitrag werde ich dir auch noch erklären, wie du mit Vorausdeutungen Spannung aufbaust. (Auch das war eine Vorausdeutung 😉 ) In deinem Roman sind das alles fantastische Techniken, aber kannst du sie auch in einer Reihe nutzen?

Schreiben nach dem Zufallsprinzip

Spätestens jetzt solltest du dir die Frage beantworten, wie du deine Reihe anlegst. Ja, du hast richtig gelesen. Anlegst. Soll deine Reihe eine Perlenkette werden, wo du ein Abenteuer an das andere fädelst, weil du nicht aufhören kannst? Und die Kette wird immer länger und länger, du knüpfst nie die Schließe daran, weil du ja noch eine Geschichte hinzufügen willst und noch eine. Schließlich hast du einen ganzen Geschichten-Bandwurm, aber – oh welch ein Wunder – schwindende Leser.

Auch deine Leser haben nur beschränkte Zeit und aus so einer Bandwurm-Reihe aussteigen geht problemlos. Warum? Richtig! Weil der Hauptspannungsbogen fehlt. Ob James Bond nun einmal mehr die Welt rettet oder nicht, wird mir keine schlaflosen Nächte verursachen. Aber ob Harry Potter Lord Voldemort bezwingt, vielleicht doch.

Schaffe einen übergreifenden Spannungsbogen

Es gibt Krimis, in denen uns immer das gleiche Ermittlerduo begegnet, in denen wir in den mehr oder weniger interessanten Fall eintauchen, ihn lösen, und vielleicht nächstes Jahr das nächste Buch der Reihe kaufen. Und dann gibt es Krimi-Autoren wie Elizabeth George. Auch sie schreibt eine Endlos-Reihe, aber neben den abgeschlossenen Fällen treibt sie die Geschichte ihrer Hauptfiguren voran. Und mal ehrlich? Lynleys Liebesleben interessiert mich meist wesentlich mehr als die Auflösung des Verbrechens 😉

Wann ist eine Geschichte aberzählt?

Gerade an den Inspektor-Lynley-Romanen kannst du aber auch das Problem dieses Konzepts erkennen. Wenn der übergreifende Spannungsbogen fertig erzählt ist, ist die Reihe zu Ende. Es war spannend, ob Lady Helen Clyde Lynley heiraten wird. Es war spannend, ob sich zwei starke Figuren zusammenraufen können. Aber die Autorin hat gespürt, dass außer Familienglück mit Kind und Kegel nichts mehr drin war. Also murkste sie Helen kurzerhand ab.

So weit, so gut. Nur, dass wir ja immer noch von Lynley und Havers lesen wollen. Die Reihe sollte fortgesetzt werden (zum Glück!), also musste ein neuer übergreifender Spannungsbogen her. Das nervige Duo St. James eignet sich dafür allerdings ebenso wenig wie das nicht minder nervige Trio Havers-Haddiyah-Azhar. Noch rudert die Autorin ein wenig 😉

Der Vorteil von Gesamtkonzepten

Genau das ist der Grund, warum du nicht nur deinen Roman, sondern auch deine Reihe plotten solltest. Natürlich nicht so detailliert wie einen einzelnen Roman, aber du solltest schon wissen, wohin die Reise geht. Was ist der übergreifende Konflikt deines Protagonisten? Wie entwickelt er sich? Die besten Reihen – ganz gleich, ob sie Trilogien, Tetralogien oder länger werden – sind nach demselben Prinzip gebaut wie ein Roman oder eine Szene. Wunsch – Konflikt – Steigerung – Veränderung. Punkt. Ende. Keine Nachspielzeit. J. K. Rowling wusste angeblich immer, dass Harry Potter sieben Bände bekommt. Und weißt du was? Ich glaube ihr aufs Wort.

Und wie ist das nun mit den Überleitungen?

Was deinen Roman zum Knüller machen kann, garantiert bei der Reihe den Flop. Lass deinen Leser am Ende eines Buches nie, nie, nie hängen! Never ever! Es ist ein Unterschied, ob man nur umzublättern braucht, oder ein Jahr lang auf die Fortsetzung warten muss. Die einzelne Geschichte muss zu Ende erzählt sein, die Spannung gelöst. Nur einen einzigen Cliffhanger darfst du dir leisten: den des übergeordneten Spannungsbogens, der auf die Fortsetzung neugierig macht.

Spanne deinen Leser ein

Sehr schön finde ich allerdings das offene Ende. Mit dem Cliffhanger verschaffst du deinem Leser einen hundsgemeinen Tritt, mit dem offenen Ende zeigst du ihm Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten auf. Ein Cliffhanger liefert dir den Leser aus, mit einem offenen Ende hingegen nimmst du ihn ernst und beteiligst ihn. Das offene Ende ist eine große Leerstelle, die dein Leser mit seiner Fantasie füllen darf. Und während er durchspinnt, wie es weitergehen könnte, schreibst du in Ruhe die Fortsetzung, mit der du ihn vom Sockel haust!

Viel Spaß dabei!

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