Mancher, der einen tollen Roman schreiben kann, scheitert etwas später kurioserweise am Klappentext. Zum einen, weil man als Autor nach Vollendung eines Romans nur mehr Details sieht und nicht mehr das Ganze, zum anderen weil man sich zu wenig mit diesem besonderen Medium befasst. Wir kennen die Umschlagtexte, wir nutzen sie ganz selbstverständlich, aber denken meist nicht darüber nach. Dabei sind sie ein spezielles „Genre“ mit ganz eigenen Gesetzen.

Der Windhund der Literatur

U4 (U für Umschlag und 4, denn wir gestalten die vierte Seite des Umschlags, die Innenseiten bleiben meist unbedruckt) ist der Windhund der Literatur. Der Klappentext ist extrem schnell. Ich habe mich selbst beobachtet, und es deckt sich mit den Ergebnissen der Marketingforschung: U4 hat nur vier bis sechs Sekunden Zeit, uns zu überzeugen, damit wir uns näher mit dem Buch beschäftigen. Wenn der Klappentext in diesen ersten Sekunden bei uns den Schalter nicht auf „Oh, das klingt interessant“ umlegt, ist es zu spät. Der Band wandert wieder auf den Stapel oder man klickt am Rechner etwas anderes an. Um diesen Schalter in uns umzulegen, muss der Text bei uns ein paar Schlüsselreize oder -wörter treffen. Welche? Das wird von Leser zu Leser und Buch zu Buch verschieden sein. Mit diesen unendlich vielen Reizen können wir uns also nicht befassen. Aber wir können uns mit dem Müll befassen, den keiner auf der Klappe braucht.

Weg mit dem Müll!

Je mehr Entbehrliches wir von der Klappe runterschmeißen, umso schneller und deutlicher wird der Leser die verbleibenden Reize wahrnehmen. Schnell und deutlich ist wichtig! Das Gestalten des Klappentextes ist also vor allem eine Kunst der Reduktion.

„Tina war eigentlich eine ganz norm…“ – schon vorbei! Mit solchen Stereotypen anzufangen, ist eine Todsünde. Ich schalte sofort ab, und die weitaus meisten potenziellen Kunden werden bestenfalls gelangweilt diesen Satz weiterlesen. „Eigentlich“ ist eine Einschränkung und „ganz normal“ ist das völlig falsche Signal. Wir wollen ja nichts Normales lesen, sondern von Abenteuern, Romantik oder Verbrechen. Mein Rat: Gehe ansatzlos und direkt auf den Kern der Geschichte los.

Auch im Samenkorn steckt der ganze Baum

Wir haben nur Zeit für einen ganz kurzen Anriss der Handlung. Dieser Anriss muss ein Samenkorn sein, nicht der ganze Baum! Trotzdem müssen wir hier den Kern der Handlung packen. Wenn wir ihn haben, gilt es, ihn so lange zu bearbeiten, bis er ganz knapp und eingängig ist. Nehmen wir an, „Tina, die eigentlich ganz Norm…“ wird von Sandro, dem netten Kellner in einem Café, in eine Folge von spannenden Verwicklungen geworfen, erlebt Liebesglück und -leid und findet am Ende ihr Happyend mit dem gewitzten Robert. Das ist Stoff für eine nette Liebesgeschichte. Doch so ist es für die Klappe viel zu ausführlich. Wir müssen es raffen und reduzieren. Wenn wir das Thema lange genug hin und her gewendet haben, steht am Ende vielleicht da:

Ein Cafébesuch bringt Tinas geordnete Welt komplett durcheinander – aber besser ein chaotisches Liebesleben als gar keines.

Mehr müssen wir über die Handlung nicht verraten. Wir haben hier weder Sandro noch Robert erwähnt. Wir konzentrieren uns nur auf die Hauptfigur. Die Nebenfiguren und alle anderen werden die Leser kennenlernen, wenn sie den Roman lesen. Auf der Klappe müssen wir sie nicht verewigen. Das Café als wichtiger Schauplatz ist aber erwähnt, weil es beim Leser gewisse Vorstellungen weckt: Das Buch spielt wohl in einer Stadt, auch eine gewisse Gemütlichkeit schwingt mit. Was aber noch fehlt ist der romantische Aspekt. Den können wir mit ein paar weiteren Textelementen dem Leser noch mitteilen.

Zitate stimmen auf den Ton ein

Gerne beginnt man eine U4 mit einem Textzitat aus dem Buch. Nur ein Satz, ein kurzer, prägnanter Schnipsel, der etwas über den Ton und die Sprache des Buches verrät. Idealerweise sollte er auch einen Bezug zum Kern der Geschichte haben. (Deshalb haben wir diesen Kern zuerst gesucht, auch wenn der Klappentext nun mit dem Zitat anfängt.) Wir suchen im Text nach einem passenden Schnipsel und finden vielleicht:

„Tina erwartete einen Bauern in Latzhose zu sehen, doch dort drüben saß ein Apoll in knackenger Jeans und Seidenhemd.“

Das ist griffig, kurz und lässt schon sowohl das Thema Romantik als auch den Humor anklingen.

Knappe Infos zu Autor und Setting

Nach dem Handlungskern ist es oft sinnvoll, einen Satz zum Autor oder der Autorin und der Kompetenz für das Thema zu verlieren. Auch das sollte mit ganz wenigen Worten erfolgen. Man kann alternativ den Leser auch auf das Thema, den Schauplatz, die Zeit oder das Genre hinweisen. All dies ohne Blabla sondern minimalistisch. Man kann mit etwas Glück sogar beides miteinander verbinden:

„Café Monaco“, der zweite Liebesroman der Münchnerin Melanie Mustermann, entführt den Leser in die Landeshauptstadt mit Herz und nimmt ihn mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle.“

Der Leser hat nun ein paar Infos zu dem, was die Geschichte bereithält, und darf annehmen, dass die Autorin dem Thema vermutlich gewachsen ist, denn sie ist ortskundig und es ist nicht das erste Buch.

Den Deckel zumachen

Ein guter Abschluss auf der Klappe wäre eine ultrakurze Zusammenfassung dessen, was das Buch zu etwas Besonderem macht. Hier – beinahe am Ende – können wir dem Leser ein letztes Mal klarmachen, wieso ihn das Buch interessieren könnte. Wir müssen nur eine Art Schlagzeile formulieren, die das Buch treffend charakterisiert. Wichtig ist hierbei, dass du auf alle Details verzichtest. Vielleicht ist es ja diese Zeile:

Moderne Romantik mit bayrischem Flair!

Oder aber du wählst eine Dreierfigur. Dreierfiguren sind, wenn sie rhythmisch sind, eingängig und klingen angenehm im Ohr. Dies wäre eine mögliche Lösung:

flott – bayrisch – romantisch

Mir selbst gefällt hier die erste Variante besser.

Das Sahnehäubchen zum Schluss

Was kann man noch tun? Ein hübsches Autorenbild, recht weit unten oder oben, eher in der Ecke, kann ansprechend sein. Auch ein Zitat aus der Presse oder ein Statement eines Kollegen kann den Klappentext noch abrunden:

„Eine Erzählerin der Extraklasse!“ (Bobbelshauser Nachrichten)

oder

„Eine Autorin, die man gelesen haben muss“ (Roman Schreiber)

Wähle aber nur ein einziges Zitat, sonst wirkt es eitel. Dass es unbedingt authentische Zitate sein müssen, brauche ich kaum erwähnen. Erfinden darf man so etwas nur, wenn man die Stelle klar als Satire erkennen kann. Doch das passt natürlich nicht bei jedem Buch. Zum anderen muss man das Zitat so verwenden, wie es ist. Oft sind sie nicht knapp und griffig genug. Es kann sein, dass die Klappe ohne das Zitat besser wirkt.

Nun stellen wir all unsere einzelnen Stücke zusammen. Ein letztes Mal müssen wir an den Worten feilen und drehen jeden Satz solange, bis er jedes verzichtbare Wort verloren hat. Achte auch darauf, dass alles gut zusammenklingt. Wenn unser Werk am Ende wirklich seine knappste Form gefunden hat, wird der Klappentext das leisten, was er leisten soll: Den Leser in wenigen Augenblicken mit dem konfrontieren, was für das Buch charakteristisch ist und ihm die Schlüsselreize liefern, die den Kaufwunsch auslösen.

 

Alexander BállyAlexander Bálly arbeitete als Buchhändler, Druckereigehilfe und Verlagsmitarbeiter und schreibt seit mehr als 20 Jahren selbst Geschichten.  Nach mehreren Fantasykrimis hat er 2014 das Verbrechen vor der Haustür entdeckt und präsentierte seinen ersten Krimi aus der Holledau.
www.alexander-bally.de

 

 

Bilder:
Windhunde: © brusnikaphoto – Fotolia.com
Alexander Bally: © Michael Fein