Dass Dialoge einen Roman lebendiger machen, ist nichts Neues. Dass ein Dialog aber weit mehr als Auflockerung sein kann, vielleicht schon. Hast du dir schon einmal Gedanken über die Chancen des Dialogs gemacht? Darüber, was er deinem Roman wirklich bringen kann? Nutzt du etwa schon seine Struktur? Und wie ist das mit dem Show statt Tell?
Inhalt
Schwafeln verboten!
Die meisten Leser lieben Dialoge, vorausgesetzt, du schläferst sie damit nicht ein. Doch so, wie in bestimmten Diskussionen immer wieder dieselben Argumente durchgespielt werden, tendieren leider auch Roman-Figuren zur Wiederholung. Deshalb solltest du deine Dialoge nach einer gewissen Zeit unbedingt überarbeiten. Ich beobachte, dass ich selbst meistens ein Drittel des Dialogs hinauswerfe, weil es nur das wiederholt, was wir (meine Figuren und ich) bereits durchgekaut haben. Damit der Leser es nämlich auch ganz sicher begreift. Er begreift aber nicht ganz sicher, sondern er ist ganz sicher genervt. Du darfst ihm ruhig zutrauen, dass er schon beim ersten Durchgang merkt, was Sache ist 😉
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Auf deinen Roman umgemünzt heißt das, lass deine Figuren nur dann reden, wenn sie auch etwas zu sagen haben. Ok, so wie du dich warm schreiben musst, müssen sich deine Figuren oft auch erst warm reden. Das ist für die Rohfassung in Ordnung, aber bei der Bearbeitung frage dich:
Würde dem Roman etwas fehlen, wenn die Replik da nicht stünde? Und wenn du diese Frage nicht eindeutig mit Ja beantworten kannst, dann weg damit! Geschnatter interessiert niemanden.
Was aber ist relevant? Welche Chancen liegen nun im Dialog?
1. Zeige den inneren Konflikt
Im Dialog kannst du die innersten Beweggründe einer Figur nach außen tragen, auch wenn sie nicht die Perspektive hat. Der Held vertraut sich seinem Sidekick an. Die Protagonistin klagt ihrer besten Freundin ihr Leid über den Mistkerl, in den sie verliebt ist. Und die Freundin setzt mit den richtigen Fragen noch eins drauf. So zeigst du die Unfähigkeit deiner Hauptfigur, dem Typen endlich den Laufpass zu geben, ohne in Behauptungen und langwierige Erklärungen zu fallen.
2. Treibe die Handlung voran
Nehmen wir einmal an, jemand stellt deinem Held eine Falle. Dein Roman wird umso spannender, wenn der Leser bereits ahnt, dass diese Falle auf den Helden wartet, dann kann er nämlich schon mal vorab um ihn zittern. Du könntest diese Gefahr daher als Erzähler ankündigen. Oder du delegierst diese Aufgabe an deine Figuren. Rate mal, was wirkungsvoller ist? 😉 Der Bösewicht schmiedet also gemeinsam mit einem anderen eine Intrige und kündigt seine Absichten an.
3. Oder halte die Handlung an
Dass ein retardierendes Moment die Spannung steigern kann, habe ich dir schon gezeigt. Mit einem Dialog kannst du Tempo rausnehmen, indem du die Handlung unterbrichst. Auf diese Weise kommen deine Protagonisten (und der Leser) zwischendurch mal zur Ruhe und können eine Situation bewerten. Und das, ohne dass du als Erzähler altklug daherkommst und den Leser bevormundest!
4. Lass andere über deine Figur reden
Du hast deine Figuren ausgearbeitet und nun willst du deinem Leser die Infos auch alle auf dem Silbertablett servieren? Tu das bitte ja nicht! Behalte dir ein Geheimnis, das du erst später lüftest. Aber gib dem Leser Hinweise, streue kleine Informationen in Dialoge ein, die andere Figuren führen. Schicke ihn auf Schnitzeljagd und lass ihn solche Mosaiksteine selbst zu komplexen Figuren zusammensetzen.
5. Zeig, wie deine Figuren mit anderen umgehen
In der Art, wie du mit jemandem sprichst, offenbart sich dein Charakter, das gilt im realen Leben und genauso im Roman. Wertschätzung, Herablassung, Ungeduld, Toleranz usw. zeigst du am besten, indem deine Figur entsprechend auf eine andere Figur reagiert. Und zwar durch Rede, durch das, was sie sagt. Damit ersparst du dir und dem Leser innere Monologe und Erzähleinschübe. Lass ihn Zeuge sein und die Folgen erleben.
6. These und Antithese
Das ist meine Lieblingsfunktion, das Streitgespräch. Oben habe ich dich auf innere Konflikte hingewiesen, jetzt geht es um den äußeren. Um die Auseinandersetzung zwischen Protagonist und Antagonist. Die Struktur des Dialoges, Rede und Gegenrede, legt dir den Konflikt fast schon in die Feder. Und wenn die beiden Gegenspieler gut motiviert sind und klare Positionen haben, schreibt sich ein pointierter Dialog beinahe von selbst.
Du kannst übrigens auch mehrere Funktionen in ein und demselben Dialog nutzen. Wenn du praktische Beispiele willst, sieh dir doch einmal mit dem kostenlosen Blick ins Buch* den Prolog von Das Gift der Schlage an. Erkennst du, welche Chancen ich bereits auf der ersten Seite ergriffen habe?
Ein anderes Mal verrate ich dir, wie du den Dialog natürlich gestaltest, damit er wie aus dem Leben gegriffen wirkt. Bis dahin viel Spaß beim Schreiben!
Bild: © Andrey Kiselev – Fotolia.com