Heute verführen wir deine Leser und reißen sie richtig mit. Nein, nicht womit du jetzt vielleicht denkst 😉 Wir zeigen ihnen, wie man sich so richtig (hinein)steigert. Die rhetorische Figur dazu ist die Klimax (Steigerung) und sie kann deinen Text äußerst eindringlich machen.
Inhalt
Lass dir beim Plotten Luft nach oben
Ich mag Texte, die sich immer mehr aufbauen. Die an Tempo gewinnen, an Verwicklung, an Spannung! Spannung erzeugst du nicht durch Gleichförmigkeit, sondern durch den Eindruck, dass da noch etwas kommt. Du wirst ja wohl nicht gerade mit der besten, rasantesten Szene in deinen Roman einsteigen und dann nachlassen? Nein, den Fehler machst du nicht!
Du machst Lust auf mehr. Du lässt deinen Leser hineinschnuppern, zeigst ihm die Möglichkeiten, reizt ihn. Und wenn er durchhält, wird er mit einem Showdown belohnt, der seinesgleichen sucht. Und darum mache es wie ein Weinkenner mit der Weinfolge: Der beste Tropfen kommt zum Schluss.
Zeige schon am Anfang, wie hoch die Latte liegt
Klar kannst du ganz gemächlich beginnen, die Frage ist nur, ob deine Leser dann überhaupt bis zur ersten Steigerung kommen. Wenn ich von einer Klimax rede, meine ich nicht, dass sie im Keller anfangen muss. Es kommt nur darauf an, dass du noch eine Schippe drauflegst, und noch eine, bis zur fulminanten Explosion. Eine Klimax hat in den meisten Fällen drei Stufen, und ich lege gerne bereits die erste so hoch, dass sie sich vom übrigen Text abhebt. Das ist kein Muss, aber ich mag es, weil es den Leser einstimmt und ein Versprechen abgibt.
Dramaturgische Steigerung
Gerade im klassischen Drei- oder Fünfaktaufbau steigert sich die Handlung bis zum Höhepunkt, der in der Regel etwa in der Mitte des Romans liegt. Da können sich Anzeichen verdichten, Schwierigkeiten häufen, auf jeden Fall kommt die Krise nicht einfach aus dem Nichts, bevor die Handlung dann unausweichlich auf das Ende zusteuert.
Neben der klassischen gibt es aber auch noch eine andere Erzählstruktur. Serien oder Fortsetzungsromane haben zahlreiche Höhepunkte, richtige Loops, und doch bilden sie ein Ganzes. Kaum ist der erste Spannungsbogen zu Ende, fängt schon der nächste an. Wenn ich einen Roman plotte, dann setze ich genau auf diese Struktur. Hänge ich aber einfach Spannungsbogen an Spannungsbogen an, käme am Ende ein Episodenroman heraus, eine Kurzgeschichtensammlung. Und hier kommt die Klimax ins Spiel.
Ich schreibe nach der Loop-Struktur und gönne schon meinem Leser kaum Ruhe, geschweige denn meinen Helden. Ich baue immer wieder kritische Punkte ein, die sie herausfordern, und der Trick ist, dass sich diese Herausforderungen steigern. Wenn das nächste Problem kniffliger ist als die vorigen, wenn noch mehr auf dem Spiel steht, dann wachsen sich die einzelnen Herausforderungen zu einer handfesten Krise aus. Und genau da will ich meinen Helden und meine Leser haben!
Wie im Großen, so im Kleinen
Ein Roman, der auf konsequente Steigerung setzt, lässt sich schwerlich beiseite legen. Aber du kannst dieses Stilmittel auch auf den niedrigeren Ebenen anwenden. Im Dialog zum Beispiel, wo sich das Wortgefecht immer mehr aufschaukelt, die Argumente nicht unbedingt besser aber umso hitziger werden. Umso kleiner die Einheit desto mehr verlagert sich die Steigerung vom Inhalt zur Sprache.
Variiere die Verben
Ich habe dir ja schon beim Tempo gezeigt, wie du mit starken Verben Effekte erzielen kannst. Nicht im grammatikalischen Sinne stark, sondern semantisch. Verben, die mit Bedeutung aufgeladen sind, die jedes Adverb überflüssig machen. Damals war es eine Kampfszene, aber es geht auch weniger gewalttätig. Nehmen wir eine Szene aus einem Krimi:
„Das wagen Sie nicht“, grollte er und seine Augen blitzten.
Sie ließ sich davon nicht beeindrucken und blätterte weiter in den vertraulichen Personalakten.
„Ich werde Beschwerde gegen Sie einreichen!“, schrie er. „Ich rufe den Innenminister an, höchstpersönlich!“
„Tun Sie sich keinen Zwang an.“ Sie nahm ein Blatt aus dem Ordner und reichte es seiner Sekretärin. „Könnte ich davon bitte eine Kopie haben?“
„Sie sind Ihren Job los!“, explodierte er. „Alle beide!“
Du siehst, wie sich Grollen über Schreien zum Explodieren steigert, analog zur Bedrängnis, in die der Verdächtige gerät. Dass die Kommissarin ruhig bleibt, hebt sein Ausrasten durch den Kontrast noch hervor.
Eine Klimax ist eine kleine Geschichte für sich, eine Handlung innerhalb des großen Handlungsbogens, die du knapp und prägnant auf den Punkt bringen kannst.
Eine ganz berühmte Minigeschichte hat übrigens ein Feldherr und Politiker geschrieben, Gaius Julius Caesar: „Ich kam, sah, siegte.“ Erkennst du die Steigerung?
Jede Klimax braucht eine Richtung
Ich sagte dir schon mal, dass ich kein strikter Gegner von Adjektiven bin. Wenn du sie sparsam einsetzt, dann wirken die wenigen, die du verwendest, umso stärker. In einem Text, der kaum Eigenschaftswörter aufweist, fällt solch ein Satz auf:
Er liebte seinen schönen, unbeherrschten Vampir, der so leidenschaftlich sein konnte.
In diesem Beispiel geht es von der Oberfläche immer mehr in die Tiefe, wir bohren sozusagen den Charakter des Vampirs auf. Von der äußeren Schale geht es zu seinem Verhalten und schließlich zu seiner inneren Antriebskraft.
Von außen nach innen oder umgekehrt. Von unten nach oben, vom Kleinen ins Große. Selbst in die Gegenrichtung funktioniert das, bei der sogenannten Antiklimax: Er war schockiert, verzweifelt, niedergeschmettert.
Es lohnt sich daher, eine Sammlung von Adjektiven in petto zu haben, die dir solch eine semantische Klimax ermöglichen. Adjektive bieten dir aber noch eine weitere Möglichkeit: Steigerung durch Grammatik.
Die Kommissarin hatte ihren Posten nicht, weil sie die besten Beziehungen hatte, sondern weil sie zäh war. Zäher als die restliche Truppe. Die Zäheste der ganzen Einheit.
„Deine Figuren steigern sich immer so schön hinein!“
Ich weiß gar nicht, wie oft ich diesen Satz schon von meiner ehemaligen Co-Autorin gehört habe. Aber er stimmt, und er macht mich jedes Mal ein bisschen stolz. Figuren, die immer beherrscht sind, finde ich langweilig, sie müssen nicht hysterisch sein, aber unbedingt engagiert.
Dazu gehört gar nicht viel. Ob es ein nüchterner Brite mit trockenem Humor ist, eine Scheidungsanwältin mit ebenso viel Temperament wie Herz, oder ein sexy Vampir, der das Pathos von fünfhundert Jahren drauf hat, sie alle können sich so richtig aufschaukeln. In der jeweiligen Sprache, mit Understatement, Empörung oder Theatralik. Immer dem Charakter angemessen. Und immer mit einer ordentlichen Klimax 🙂 .
Und das heißt mehrere Durchgänge
Du kannst zwar einen Knalleffekt schreiben, aber der Name beschreibt schon, was passiert. Es knallt kurz und dann verpufft die Wirkung. Anders bei der Steigerung. Wenn du das Thema – und das meine ich durchaus im musikalischen Sinn, als kleine Einheit – mehrfach durchspielst, leicht abänderst und nachlegst, dann schraubt es sich ins Bewusstsein deines Lesers. Dann geht er mit, vielleicht schmunzelnd, vielleicht ärgert er sich, vielleicht stimmt er den Figuren voll und ganz zu. Aber er fühlt etwas. Garantiert!
Stürze dich hinein in deinen Roman, denn eines verspreche ich dir: Mit der Steigerung erlebst du richtige Leidenschaft!
Viel Spaß beim Schreiben!
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