Es soll ja Leute geben, die Landschafts- oder Ortsbeschreibungen faszinierend finden. Ich gehöre nicht dazu. Um ehrlich zu sein, ich finde sie ziemlich langweilig. Und doch kommst du nicht immer drum herum. Aber wie kriegst du es hin, dass dir deine Leser dabei nicht einschlafen?

Beschreibungen brechen die Illusion

Du schreibst einen Fantasy-Roman und willst die fremde Welt vor den Augen deines Lesers entstehen lassen? Oder du führst ihn in einem historischen Roman in eine vergangene Zeit, in einem Liebesroman an einen romantischen Ort und in der Science Fiction in ferne Galaxien? Recht so, und natürlich hast du viel Zeit und Vorstellungsvermögen investiert, um zu wissen, wie es dort aussieht. Selbstverständlich willst du, dass die Leser diese Bilder auch sehen. Aber …!

So paradox es klingt, mit einer Beschreibung erreichst du genau das Gegenteil, denn da entsteht nichts in den Köpfen deines Publikums. Na ja, wenn du Glück hast, rufst du alte Erfahrungen deiner Leser ab, aber neue Bilder schaffst du sicher nicht.

Was in den Köpfen passiert

Wie sie selbst in  Wort für Wort – oder Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben* betont, recherchiert Elizabeth George ihre Schauplätze akribisch, und tatsächlich sind die oft etwas Besonderes. Damit vermeidet sie in ihren Krimis Klischees und findet immer wieder neue Settings. Doch obwohl ich Elizabeth George aufs Höchste schätze, nehme ich ihr diese Beschreibungen richtig übel. Ich muss nämlich das, was sie vor Ort gesehen hat, im Text zusammenklauben und mir mühsam in meinem Kopf das Bild zurechtzimmern. Mit einem Wort, diese Beschreibungen sind anstrengend, aus dem Lesegenuss wird Arbeit.

Handlung statt Stillstand

Was interessiert Leser an einem spannenden Buch? Zum einen die Handlung. Das wussten schon die alten Griechen, und als Homer den Schild des Achilles beschrieb, na, da beschrieb er ihn eben nicht, sondern zeigte einfach Hephaistos dabei, wie er ihn schmiedet:

Richtete dann auf dem Bock den Amboss, nahm mit der Rechten
Drauf den gewaltigen Hammer, und nahm mit der Linken die Zange,
Erst nun formt er den Schild, den ungeheuren und starken …
(Homer, Ilias)

Bilder können leben, verwende Bewegungsverben, um die Statik aufzulösen. Ein Fluss schlängelt sich durch die Landschaft, Lichtstrahlen brechen sich in den Kristallen einer Salzwüste oder Staub wirbelt unter den Hufen eines Pferdes (oder den Flügelschlägen eines Drachen) auf. Pflanzen kriechen eine Wand hoch, ein Wanderer rutscht von einem Stein ab und schlägt sich dabei das Knie auf. Jetzt siehst du die Geröllhalde, oder?

Wozu hast du Figuren?

Am besten zeigst du Szenerien, indem du sie deine Figuren mit allen Sinnen wahrnehmen lässt. Dazu schlüpfst du ganz tief in die Figur hinein, fühle mit ihrer Haut, sehe mit ihren Augen und höre mit ihren Ohren. Stell dir nicht vor, dass du riechst, sondern rieche selbst. Gib einer Figur die Perspektive und lass uns Leser deine Welt so erleben, wie deine Figur es tut. Denn der Witz dabei ist das Denken auszuschalten und ganz ins Fühlen zu kommen. Illusion heißt, dass ich als Leser nicht die Figur beobachte, sondern dass ich selbst die Figur bin. Und mit Illusion vergesse ich die Zeit und lese, bis mir die Augen zufallen.

Viel Spaß beim Schreiben!

ls-unterschrift

 

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