Magst du lieber ganz langsame, betuliche Romane oder die rasanten, die mit hohem Tempo? Egal ob du locker, flockig wie in der Chicklit oder überwältigend wie im Thriller schreibst, ein gewisses Tempo brauchst du für Spannung. Doch immer nur Höchstgeschwindigkeit funktioniert auch nicht. Schaffe doch mal ultimative Spannung durch Pausen und das retardierende Moment!

Die Grundgeschwindigkeit

Eine gewisse Geschwindigkeit brauchst du. Denn wenn du wie eine Schnecke durch den Roman kriechst, wird der Leser nur schwer merken, dass du auf einmal anhältst. Adalbert Stifter ist so ein Fall, da benötigt ein Marienkäfer eine halbe Stunde, um den Grashalm einen Zentimeter hochzuklettern. Als ich Der Nachsommer las, wähnte ich mich bei einem simplen Theaterbesuch schon wie in einem Action-Reißer – nur weil endlich mal was geschah 😉

Verschnaufpausen für den Leser

Wenn du Aventiure liest, wirst du wahrscheinlich nicht an Beobachtungen unter dem Mikroskop und lyrischen Betrachtungen interessiert sein, sondern du willst, dass man deinen Roman atemlos verschlingt. Wenn dein Leser aber bis zur letzten Seite durchhalten und nicht bereits bei der dritten Szene mit Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert werden soll, braucht er Verschnaufpausen. Die müssen nicht lange sein, gerade mal so, dass der Puls wieder auf knapp über normal sinkt.

Bevor dein Motor streikt

Immer mit der Tachonadel am Anschlag birgt nicht nur Lebensgefahr für deinen Beifahrer, sondern lässt auch den Motor irgendwann durchknallen. Du hast keine Möglichkeit mehr zu steigern.

Tempo wirkt am besten, wenn du es variierst. Der Zeilenwechsel, den ich an dieser Stelle mache, ist übrigens ein Mittel dazu, er erzeugt eine Pause im Lesefluss. Und die Erklärung, die ich hier nachschiebe, hat denselben Effekt, jetzt bist du im Aufnahmemodus. Und hoffentlich  gespannt, wie es weitergeht 😉

Das retardierende Moment

Solche Stellen, an denen das Tempo gedrosselt und die Handlung angehalten wird, nennt man retardierendes Moment. Es ist wie die Ruhe vor dem Sturm oder wie die fünf Sekunden Pause nach dem Schlussvorhang im Theater, bevor der Applaus losbricht. Es ist das Luftholen vor der Explosion. Und ich warne dich, wenn ein Könner ein retardierendes Moment einsetzt, dann mache dich auf alles gefasst.

Meister des Fachs

Wo liegt der Unterschied zwischen Hitchcock und einem Action-Film? Im Action-Film explodiert dauernd irgendwas, da kracht und blitzt es, dass es eine Freude ist. Aber der Schock erreicht deine Augen, vielleicht auch deine Ohren, doch kaum dein Gefühl. Anders bei einem Suspense-Film, da entsteht Spannung gerade durch die Pause davor.

Ein anderer Meister ist dir wahrscheinlich aus dem Schulunterricht bekannt. Nimm dir mal ein Drama oder eine Ballade von Schiller her. Den Taucher zum Beispiel oder Das verschleierte Bild zu Sais. Schiller ist so ein Experte des hohen Tempos, aber immer kurz vor Schluss baut er einen Stillstand ein. Und dann nimmt er Fahrt auf, wird immer schneller und gipfelt im Finale – und zwar mit Spannung, Pomp und Gloria und einer Sentenz, die sich gewaschen hat!

Pausen, die Spannung steigern

Ein retardierendes Element ist nicht einfach nur eine Pause und schon gar kein Mittel, die Seitenzahl zu strecken. Wenn du in einer Szene nichts zu erzählen hast, dann streich sie am besten gleich ganz. Mit einem retardierenden Moment versetzt du den Leser nicht in den Ruhezustand sondern in den Wachsamkeitsmodus. Wie ein Pferd, das vor dem Rennen in der Startbox vibriert. Eine meiner Testleserinnen weiß bereits, wenn ich eine Idylle aufbaue, sollte sie besser auf der Hut sein 😉 Beim Lesen fällt das gar nicht bewusst auf (wenn man nicht gerade literaturwissenschaftlich/analytisch liest), aber der Effekt ist unvergleichlich.

Wenn du einen Konflikt zuspitzen oder den Leser im besten Sinne überwältigen willst, dann lass ihn vor der entscheidenden Sequenz Luft holen. Er wird sie brauchen, denn nachher kommt er nicht mehr zum Atmen 😉

Viel Freude – und Spannung! – beim Ausarbeiten deiner packenden Szenen! Und natürlich viel Spaß beim Schreiben!

ls-unterschrift

 

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