In deinem Roman tummeln sich mehrere Figuren, und jede davon hat eigene Motive, die sie antreiben. Eine spannende Geschichte entsteht ja gerade aus komplexen Charakteren, die nicht vorhersehbar handeln. Doch wie machst du dem Leser die Motive deiner Figur klar und vermittelst ihm, was sie denken?

Denken ist gefährlich

Ich habe dir schon einmal die personale Erzählweise vorgestellt und dir gezeigt, wie du abwechselnd in die Köpfe von unterschiedlichen Figuren schlüpfen kannst. Die personale Erzählweise birgt aber auch eine Gefahr: Dass dir die Spannung flöten geht nämlich und du deine Leser auf der Strecke verlierst. Denn wenn du deine Figuren andauernd denken lässt, kannst du sie gleich erklären lassen, und erklären ist für die Spannung tödlich. Das heißt nicht, dass es nicht auch grandiose Denkromane gibt, nur sind die meist experimentell und haben nicht Unterhaltung und Illusion zum Ziel. Versuch mal, Der Tod des Vergil auf Spannung zu lesen, dann weißt du, was ich meine.

Erzählen ist langweilig

Es gibt einen erprobten Grundsatz beim Schreiben. Don’t tell, show! Erzähle nicht, sondern zeige! In der Theorie klingt das ja recht schön, aber setz das mal um 😉 Ich zeige dir an einem Beispiel, wie das gehen kann. Nehmen wir einmal an, du schreibst einen Krimi und der Kommissar kommt frühmorgens an den Tatort. Verschlafen, ein Assistent reicht ihm einen Becher Kaffee, der seine Lebensgeister wecken soll. Wenn du nur erzählst, sieht das etwa folgendermaßen aus:

Der Kommissar lechzte nach dem Koffeinschub, aber das Zeug war noch zu heiß, es musste eben auch so gehen. Er strengte seine grauen Zellen an.

Mach es wie im Film

Wie oft erlebst du, dass in einem Film Figuren denken? Ich meine so denken, dass du ihre Gedanken hörst. Sicher, es kommt vor, dann wird ein innerer Monolog eingesprochen. Aber in der Regel denken die Figuren nicht, sondern sie handeln. Du erkennst an ihrem Gesichtsausdruck, wie sie zu einer Aussage stehen, du siehst an ihrer Gestik, ob sie aufgeregt oder cool sind. Das kannst du in deinem Roman auch nützen. Zeig die Körpersprache:

Der Kommissar griff nach dem Becher und zuckte heftig zurück. Fasste ihn beim zweiten Versuch vorsichtig mit den Fingerspitzen an und fächelte mit der Hand, um die Dampfschwaden zu vertreiben. Blies, sodass sich kleine Strudel in der schwarzen Flüssigkeit bildeten. Und setzte seine amtliche Miene auf.

Oder wie im Drama

Was ich am Drama so mag, ist, dass fast alles in Dialog gegossen ist. Je schneller und kräftiger die Wortwechsel, desto lieber ist es mir. Sehen wir uns die Sache mit dem heißen Kaffee mal mit Dialog an:

„Verdammt, willst du, dass ich mir die Zunge verbrenne? Reicht es denn nicht, mich um vier aus dem Bett zu holen? Wer soll denn unter solchen Umständen denken können!“

Was die Figur denkt, spricht sie aus, und zwar nicht als ruhigen Gedanken, sondern im Affekt. Unterlege die Dialoge deiner Figuren mit Emotionen und überlege dir, wie sich ihre Absichten anhören. Das schließt auch die Tonlage ein.

Verbinde Handlung und Dialog

Ganz besonders plastisch wird es, wenn du Handlung und Dialog kombinierst:

„Gib schon her!“, blaffte der Kommissar seinen Assistenten an und trank hastig einen Schluck. „Verdammt!“ Der Becher lag auf dem Boden, und der Kaffee bildete eine Pfütze, während der Kommissar sich über die verbrannte Lippe leckte. „Sehen wir uns die Leiche an.“ Er stampfte zum Beet hinüber, den Kaffee auf den Hosenbeinen statt im Magen.

Aus Emotionen leiten sich Handlungen ab

Über den ganzen Roman hinweg erkennst du, wie der Kommissar tickt, weil er in bestimmten Situationen immer gleiche Handlungsmuster zeigt. Wenn er jähzornig ist, wird er immer leicht ausrasten, dazu musst du deinem Leser nicht erklären, dass er jähzornig ist. Oder er ist sehr beherrscht, dann zeig ihn immer wieder in Situationen, die seine Selbstkontrolle erfordern. Baue den Charakter auf, indem du seine Aktionen und Reaktionen darstellst.

Nimm dir einmal eine Figur vor. Welche Handlungsweisen entsprechen ihr? Wie redet sie in bestimmten Gefühlslagen? Und wenn du das geklärt hast, geh noch einmal alle Stellen durch, in denen sie denkt.

Viel Spaß beim Schreiben!

ls-unterschrift

 

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