Der erste Satz leuchtet wie eine Rose im Gestrüpp

Die Krux mit dem Anfang – Der erste Satz darf nicht stressen

Hemmt dich der erste Satz? Hast du Schwierigkeiten mit dem Beginnen? Du sitzt vor einem leeren Blatt (oder in unseren Zeiten wohl eher vor einer neu angelegten, noch völlig jungfräulichen Computerdatei), und dir fällt absolut nichts ein.

Ich meine, du weißt schon, dass du schreiben willst. Du weißt auch ziemlich genau worüber. Aber du sitzt. Und starrst. Wärmst die Finger auf. Ziehst sie wieder zurück. Nach dem dritten Durchgang beginnen sich die Worte in deinem Hirn zu formen und nach dem fünften brüllst (oder stöhnst oder seufzt du, je nach Temperament) deinen Frust in die Welt:

Ein Satz! Ein Satz! Ein Königreich für einen Satz!

Du könntest jetzt genervt auf das kleine X rechts oben klicken und das Experiment für beendet erklären. Schreibhemmung. Geht eben nicht. Das wäre so ähnlich wie auf Abenteuer auszuziehen und schon beim Schuhezubinden das Handtuch zu werfen.

Dagegen gibt ein nur ein Rezept: Mitten hinein in die Geschichte!

Wer sagt, dass der erste Satz der erste Satz ist?

Schuld ist vor allem ein Mythos. Viele Leser behaupten, wenn der erste Satz nicht genial sei, geben sie einem Buch erst gar keine Chance. Ich sehe das zwar nicht so eng, der erste Satz ist mir in der Regel sogar ziemlich egal, aber die erste Seite sollte schon fesseln und zum Umblättern animieren. Nur kann sie das nicht, wenn du dich selbst unter Druck setzt.

Wenn du sofort nach dem Knüller suchst, ist das ungefähr so, wie wenn du nach zehn Jahren Trainingspause 100 kg stemmen willst. Wahrscheinlich brichst du schon unter 20 zusammen. Dabei ist der Trick ganz einfach: Diese supergenialen ersten Sätze werden meistens erst am Ende geschrieben.

Fang irgendwo an

Schreibe dich erst einmal warm. Die ersten Zeilen haben genau einen Sinn: Sie sollen dich in Schwung bringen. Du musst noch nicht nobelpreisverdächtig schreiben und auch noch nicht den vorprogrammierten Bestseller in die Tasten hauen, sondern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wirst du den Text später überarbeiten. Nimm dir eine Szene her, die du im Kopf hast, die dir unter den Nägeln brennt, und schreib drauf los.

Beginne mit deiner Lieblingsszene

Als ich Das Gift der Schlange begann, hatte ich einige Szenen im Kopf. Eine davon war die unter der Weide am Fluss, die ich in Gedanken schon zigmal durchgespielt hatte. Nun ist die aber nicht gerade am Anfang des Romans, und ich platzte fast vor Ungeduld. Bis ich irgendwann mal darauf pfiff, wo ich gerade in meinem Plot stand, und mir die Szene rauschhaft von der Seele schrieb.

Natürlich musste ich dann die Handlung darauf zuführen. Und natürlich musste ich die Szene später überarbeiten. Wichtig war aber, dass ich beim Schreiben bereits ein Gefühl für sie hatte, dass ich in ihr schon lebte. Und so konnte ich mich in den Flow schreiben und mit meinen Figuren vertraut werden.

Nicht alles wird bleiben

Ziemlich zu Beginn klopfte ich noch eine andere Szene in die Tasten und ich klopfte genauso schnell, wie die Pferde rannten, die ich vor das Auge meiner Leser rief. Du weißt, dass ich die rasante Kutschfahrt im Gewitter schlussendlich aus dem Roman herausnahm, und das, obwohl sie wirklich gut wurde. (Möglicherweise verwende ich sie für eine Fortsetzung, vielleicht bleibt sie aber auch ewig ein Fragment.) Entscheidend ist, dass ich mich durch sie in eine Stimmung versetzte, die ich für spätere Stellen nutzte.

Und was ist nun mit dem ersten Satz?

Ich verrate dir etwas. Der Prolog war die letzte Szene, die ich schrieb. Eben weil du ihn als Erstes liest, muss er all das zeigen oder zumindest andeuten, was du vom Roman erwarten darfst. Als ich den Prolog ausarbeitete, wusste ich bereits, wie die Figur tickt, was sie tun oder nicht tun wird. Ich schrieb ihn ungefähr fünfzehnmal um, den ersten Satz sicher doppelt so oft. Ich feilte und schliff. Am Ende des Romans. Nicht am Anfang.

Don’t tell – Make them feel!

Deine Barbara

Um anzufangen, entwickle vor allem ein Gefühl für deine Geschichte. Schreibe dich warm und starte an einer Stelle, die für dich bereits prickelt. Auch wenn sie nicht im Roman bleibt oder du sie später noch überarbeiten musst.